Verständigung statt Eskalation
Wie du Konflikte in deiner Band mit einem einfachen Gesprächstool entspannen kannst
Konflikte sind wie Verstärker…
...wenn wir sie überdrehen, pfeift das unkontrollierte Feedback. Wenn wir sie feinjustieren, bringen sie alles zum Klingen.
Konflikte gehören zur Musik – sie sind Teil des kreativen Prozesses. Doch wie bei jedem Soundcheck entscheidet der Umgang damit, ob daraus Lärm oder Musik entsteht.
Der verlangsamte Dialog ist eine Art Soundcheck für Gespräche: Eine Methode, mit der ihr Spannung rausnehmt und Verständigung wieder hörbar macht.
Überall wo Menschen zusammenarbeiten, gibt es Konflikte. Das ist ganz normal! Entscheidend ist nicht, ob wir Konflikte haben, sondern wie wir mit Konflikten umgehen.
Konflikte gehören zur Musik dazu
Wenn ich mit Teams oder Musikgruppen arbeite, höre ich zu Beginn oft den Satz: „Konflikte? Aber wir haben doch gar keine Konflikte.“ Harmonie und das Gefühl, dass sich alle gut verstehen, stehen häufig ganz oben auf der Liste und gelten oft als ungeschriebenes “Gesetz”.
Zuzugeben, dass man Konflikte hat, wirkt auf viele unattraktiv. Stattdessen wird lieber betont, dass alles gut läuft und das Miteinander harmonisch ist. Ich glaube, dafür gibt es gute Gründe. Die meisten Menschen empfinden Konflikte als unangenehm. Wir vermeiden sie lieber, anstatt sie wirklich konstruktiv auszutragen.
Dabei sind Konflikte an sich nichts Schlimmes – im Gegenteil: Sie sind wichtig für unsere Entwicklung. Sie zeigen uns, dass etwas nicht mehr so weitergehen kann wie bisher, dass Veränderung nötig ist. Und genau darin liegt eine große Chance. Jeder Konflikt hat das Potenzial zu eskalieren und uns auseinanderzubringen – und gleichzeitig die Kraft, uns auf eine neue Ebene zu führen.
Eins ist sicher: Wenn wir Konflikte ignorieren, wachsen sie. Dem Konflikt gefällt es, wenn er unter den Teppich gekehrt wird. Dort kann er sich gut ausbreiten. Er freut sich, wenn er zum großen rosa Elefanten wird, der mitten im Raum steht und den niemand anspricht. Da fühlt er sich wohl – und wächst weiter.
Wenn Kommunikation zu schnell wird
Kommunikation kann verbinden – oder trennen. Ein großes Problem ist oft das Tempo. Wenn Gespräche zu schnell werden, verlieren wir das gegenseitige Verständnis.
Typisch ist, dass beide Seiten damit beschäftigt sind, immer wieder die eigene Position zu erklären – in der Hoffnung, endlich verstanden zu werden. Doch das Gegenüber hört oft gar nicht zu, sondern formuliert innerlich schon die nächste Antwort. Je schneller diese Dynamik wird, desto weniger ist echtes Verständnis möglich. Und desto stärker eskaliert der Konflikt. Irgendwann geht es gar nicht mehr um das Thema selbst, sondern nur noch darum, recht zu behalten.
Zum Glück gibt es eine einfache Methode, um das Tempo zu verlangsamen und wieder in echten Kontakt zu kommen.
Der verlangsamte Dialog – kurz erklärt
Der verlangsamte Dialog – der Name sagt es schon – bringt Ruhe in hitzige Gespräche. Diese Gesprächstechnik stammt aus der Mediation und hilft Konfliktparteien, sich wirklich zuzuhören. In der Mediation nennen wir das auch Paraphrasieren oder Spiegeln.
In der Gesprächspsychologie nach Carl Rogers wird es auch Aktives Zuhören genannt: Das Gehörte wird in eigenen Worten wiedergegeben. So wird echtes Verstehen gefördert.
Die Grundidee ist simpel:
Wenn Person A etwas sagt, fasst Person B zuerst in eigenen Worten zusammen, was angekommen ist – bevor sie selbst reagiert.
So wird der Dialog verlangsamt und die Spirale der Eskalation wird unterbrochen.
So funktioniert der verlangsamte Dialog Schritt für Schritt
A spricht aus, was ihn oder sie bewegt.
B hört zu – ohne zu unterbrechen.
B fasst zusammen:
„Ich habe verstanden, dass du … meinst“ oder „Dir ist wichtig, dass …“
A bestätigt oder korrigiert:
„Ja, genau.“ oder „Nein, ich meinte eigentlich …“
Erst danach reagiert B mit der eigenen Sicht oder Antwort.
Klingt Simpel – ist es auch. Aber in angespannten Momenten verändert diese kleine Struktur alles.
Sagen, was du willst - ohne andere vor den Kopf zu stoßen.
---
Sagen, was du willst - ohne andere vor den Kopf zu stoßen. ---
Sagen, was du willst - ohne andere vor den Kopf zu stoßen. Hol dir jetzt meinen neuen Mini-Kurs “Klartext-Shortcut” für 0,- Euro.
“Richtig” zuhören? Ein typisches Missverständnis.
Im verlangsamten Dialog geht es nicht darum, zu beweisen, dass du „richtig” zugehört hast. Es geht darum, ehrlich zu sagen, was du verstanden hast – und was bei dir angekommen ist.
Am besten funktioniert das, wenn du dich dabei mit deinen eigenen Worten und in authentischer Sprache ausdrückst. Und wenn dabei etwas anderes bei dir ankommt, als dein Gegenüber gemeint hat, ist das kein Fehler!! Sondern eine wertvolle Chance, Missverständnisse aufzulösen.
Ihr könnt den Dialog einfach so lange fortsetzen, bis sich beide gehört und verstanden fühlen.
Warum das wirkt
Der verlangsamte Dialog verlangsamt die Dynamik und nimmt Druck aus der Situation. Er verhindert Missverständnisse, bevor sie groß werden, und schafft Raum für Empathie und echtes Verstehen. Du bekommst mit, wie dein Gegenüber etwas meint – nicht nur was.
Ich nutze diese Methode regelmäßig in Mediationen und Teamgesprächen. Sie hilft Menschen, in festgefahrenen Konflikten wieder in Kontakt zu kommen. Und sie funktioniert auch im Bandalltag – bei kreativen Differenzen, organisatorischen Fragen oder emotionalen Spannungen.
Der verlangsamte Dialog bei schwierigen Konflikten
Wenn ich den verlangsamten Dialog in Bands oder Teams einführe, begegne ich manchmal Skepsis. „Das soll wirklich funktionieren?“
Und ich kann dir sagen: Ja, das tut es. Der verlangsamte Dialog – das bewusste Sprechen darüber, was angekommen ist – kann Wunder wirken. Er schafft tiefes Verständnis und Klarheit, auch in hoch eskalierten Situationen.
Aber aufgepasst: Diese Art zu sprechen fällt uns nicht leicht. In Konflikten sind wir emotional, angespannt, manchmal verletzt. Unsere Gedanken rasen, wir schwanken zwischen Angriff und Verteidigung.
Darum ist es wichtig, sich bei schwierigen oder lang bestehenden Konflikten von einer neutralen Person begleiten zu lassen. Am besten von einer ausgebildeten Mediatorin oder einem Mediator. Eine Person von außen hilft euch dabei, in diesem Dialog zu bleiben. Dann entfaltet die Methode ihre volle Kraft – und es entsteht ein tieferes gegenseitiges Verständnis. Für mehr Klarheit. Und Vertrauen.
Als ausgebildeter und zertifizierter Mediator und systemischer Coach (M.A.) unterstütze ich euch bei der Klärung von Konflikten. Als ehemaliger Profi-Musiker bin ich mit den Themen und der Konfliktdynamik in Musikgruppen bestens vertraut.
Hier findest du mehr zu meinen Angeboten, speziell für Musikgruppen.
Drei Praxis-Tipps, damit es funktioniert
Atme durch, bevor du sprichst.
Einmal tief einatmen ist oft die beste Konfliktstrategie der Welt. Durchatmen, bevor du reagierst. Durchatmen, bevor du argumentierst. Es ist einfach – und doch vergessen wir es oft.
Übt es in ruhigen Momenten – mit kleinen Themen.
Probiert den verlangsamten Dialog zuerst bei etwas Kleinem. Nicht beim großen, alten Konflikt, der euch schon seit Jahren beschäftigt. Fangt leicht an, und verabredet euch bewusst dazu.
Hole dir das Einverständnis deines Gegenübers.
Wenn du einfach so damit beginnst, wirkt es schnell befremdlich. Sag lieber offen, dass du etwas Neues ausprobieren möchtest, und erkläre kurz, worum es geht. Dann könnt ihr gemeinsam entscheiden, ob ihr den Versuch wagen wollt.
Fazit – Entschleunigen, um zu verstehen
Der verlangsamte Dialog ist kein Magic-Trick, sondern eine Haltung: es geht um ehrliches Interesse, einander zu verstehen.
Wenn ihr das in eurer Band kultiviert, wird aus Streit Energie, aus Spannung Resonanz und aus Missverständnis Verbindung.
Konflikte gehören zur Musik dazu – aber sie müssen nicht Takt und Tempo für uns vorgeben.
Hey, ich bin Jochen Reich.
Ich bin systemischer Coach (Master of Arts / DGfC) und zertifizierter Mediator aus Hamburg. Mit Freude habe ich im Laufe meiner Beratertätigkeit meine Spezialisierung im Konfliktmanagement gefunden. Menschen zu befähigen, selbstständig die besten Konfliktlösungen zu entwickeln, ist meine Mission.